Die Wettbewerbskommission droht wegen zu hoher Durchleitungspreise für Mobilfunkgespräche mit hoher Busse
Die Wettbewerbskommission (Weko) droht der Swisscom in einem Sanktionsentwurf mit einer Busse von fast 500 Millionen Franken. Swisscom will sich bis vor Bundesgericht dagegen wehren.
Hans Galli/Bern
Die Durchleitungspreise für Mobiltelefongespräche werden zum ersten richtigen Testfall für das neue Wettbewerbsgesetz. Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Weko) will gegen Swisscom Mobile eine Busse von 489 Mio. Fr. verhängen. Die Weko wirft dem Unternehmen vor, es habe zu hohe Terminierungsgebühren verlangt. Diese Gebühr fällt beispielsweise an, wenn ein Sunrise-Kunde einen Abonnenten von Swisscom Mobile anruft. Für die Durchstellung in ihr Netz stellt dann Swisscom Mobile diese Gebühr Sunrise in Rechnung.
Die Weko eröffnete im Oktober 2002 eine Untersuchung gegen alle drei Schweizer Mobilfunkanbieter. Jetzt hat die Behörde einen ersten Vorentscheid gegen Swisscom gefällt. Der Vorwurf: Diese habe eine marktbeherrschende Stellung ausgenutzt. Swisscom hat einen Anteil von 60% am Schweizer Mobilfunkmarkt. Orange und Sunrise teilen sich die restlichen 40%.
Swisscom weist Kritik zurück
Die angedrohte Sanktion bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. April 2004 bis 31. Mai 2005. Das hat zwei Gründe: Erstens ist das neue Wettbewerbsrecht, das direkte Bussen vorsieht, erst seit Anfang April 2004 in Kraft, zweitens hat Swisscom Mobile die Terminierungsgebühren per Anfang Juni 2005 massiv gesenkt. Swisscom hat die Sanktionsandrohung gestern früh vor Börsenstart bekannt gegeben. Sie weist die erhobenen Vorwürfe mit mehreren Argumenten zurück:
• Swisscom Mobile habe seit Jahren die tiefsten Terminierungsgebühren in der Schweiz. Demzufolge liefere sie den Konkurrenten Orange und Sunrise pro Gespräch mehr ab, als sie von diesen erhalte. Zudem gebe es mehr Gespräche von Swisscom in andere Netze als umgekehrt.
• Es sei unstatthaft, nur Swisscom als marktbeherrschend zu bezeichnen und nur sie zu bestrafen.
• Die Weko habe bisher nie geäussert, welches der richtige Preis für die Durchleitung wäre. Swisscom wisse deshalb nicht, welchen Preis sie verlangen dürfe.
Swisscom will bis am 22. Mai ausführlich zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Anschliessend wird die Weko über den Sanktionsantrag ihres Sekretariats entscheiden.
Rückstellungen bilden
Falls die Weko an der Busse festhält, wird Swisscom den Entscheid an die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen weiterziehen. Sollte sie auch dort scheitern, werde sie ans Bundesgericht gelangen, kündigte sie an. Der Fall dürfte deshalb erst in einigen Jahren entschieden sein. Das Verfahren könnte die Jahresrechnung 2006 der Swisscom belasten. Sie müsse eventuell zusätzliche Rückstellungen bilden, sagte Konzernchef Carsten Schloter an einer Telefonkonferenz. Bisher habe die Konzernleitung das Risiko einer Busse auf weniger als 50% eingeschätzt gehabt.
Die Rivalen sind teurer
Die Untersuchung für die Zeit nach der Gebührensenkung durch Swisscom Mobile am 1. Juni 2005 geht weiter. Sie betrifft alle drei Mobilfunkanbieter. Swisscom Mobile senkte ihre Terminierungsgebühren per Anfang Juni 2005 von 33,5 auf 20 Rp. pro Minute. Seither liegt sie nach eigener Angabe leicht unter dem europäischen Mittel. Swisscom sind dadurch letztes Jahr 160 Mio. Fr. entgangen. Schloter bestritt damals, die Senkung sei auf Druck der Weko erfolgt. Grund sei vielmehr die Marktentwicklung: Die Kunden hätten wegen der hohen Preise immer weniger telefoniert.
Als Reaktion auf das Vorpreschen der Swisscom hat auch die Konkurrenz die Terminierungsgebühren gesenkt, aber nur zögerlich. Orange beispielsweise verlangt weiterhin 32,95 Rp. pro Minute für das Durchstellen eines Anrufs aus einem fremden Netz, wie eine Sprecherin sagte. Sunrise wollte die Höhe der Terminierungsgebühren nicht offen legen. Aus Sicht der Kunden führen die Terminierungsgebühren zu paradoxen Preisverzerrungen. Im eigenen Netz können die Mobilfunkkunden von Orange, Sunrise und Swisscom heute für rund 50 Rp. eine ganze Stunde telefonieren. Bei Anrufen in andere Netze reichen 50 Rp. dagegen nur für eine Minute. Noch höher sind die Durchleitungspreise bei grenzüberschreitenden Verbindungen, wogegen nun allerdings die EU-Kommission vorgehen will.
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