Zwei Nachrichten aus dem Videokonferenz-Markt dieser Tage lassen aufhorchen. Die eine Nachricht: Die Umsätze im Videokonferenz-Markt sind empfindlich eingebrochen. Die andere Nachricht: Google verfolgt weiterhin das Ziel, WebRTC als neuen Standard für Echtzeitkommunikation zu etablieren und holt dafür einen der führenden Spezialisten der Video Conferencing Branche ins Boot.
Umsatzeinbrüche bei Videokonferenz-Technik
Die eine Nachricht belegt die abnehmende Relevanz von Videokonferenz-Hardware: Laut der aktuellen Studie von IDC (Worldwide Enterprise Videoconferencing and Telepresence QView) sinken die Umsätze in dem Markt kontinuierlich. Der Rückgang betrifft vor allem die Technik für Konferenzschaltungen, sogenannte MCUs/Multipoint Control Units (Umsatzrückgang im Vergleich zum Vorjahr um über 20%) sowie Videokonferenz-Hardware, wie beispielsweise Telepresence-Systeme, die gern in Vorstandsräumen oder dezidierten Konferenzräumen stehen (Rückgang um 5%).
Bei kleinen Videokonferenz-Systemen, die direkt am eigenen Arbeitsplatz genutzt werden (sogenannte Desktop-Systeme), gab es dagegen eine Umsatzsteigerung über 7%. Auch wenn diese Zahlen von IDG primär USA-lastig sind, so zeigen sie doch eine klare Richtung.
(Übrigens bietet BusinessWire einen sehr guten Überblick über die Inhalte der Studie – die gesamte Studie ist bei IDC kostenpflichtig.)
Alltagstauglich muss es sein
Und damit kommen wir der Antwort auf die Spur: Videokonferenzen sind nicht mehr elitäres Kommunikationsmittel oder reines Prestigeobjekt für die Vorstandsetagen. Videokonferenzen haben sich ihren Weg in die normale Arbeitswelt gebahnt, als alltagstaugliches Tool bei der virtuellen Zusammenarbeit von Kollegen und Geschäftspartnern.
Dazu passt auch die Aussage eines Senior Analysts von IDG zu dieser Studie:
“Video as a key component of collaboration continues to place high on the list of priorities for many organizations.”
Video ist und wird auch weiterhin wichtiger Bestandteil bei der Zusammenarbeit (Collaboration) in Unternehmen sein.
WebRTC will es schaffen
Der Trend geht also zu kostengünstigen, easy-to-use-Videokonferenz-Lösungen. Die Weiterentwicklung der Technik sorgt für immer mehr Leistung in immer kleineren Systemen. Der Preis sinkt, die Anschaffungshürde wird geringer.
Noch alltagstauglicher werden Videokonferenzen, wenn man gar keine extra Hardware mehr benötigt. Stattdessen läuft die Videokommunikation über den Browser am Rechner – idealer Weise ohne Installieren eines extra Plugins.
Das ist das Ziel von WebRTC (Web Real-Time Communication, deutsch „Web-Echtzeitkommunikation“). Und genau da setzt auch die Zusammenarbeit von Vidyo und Google an. Google ist neben Mozilla und Opera maßgeblicher Förderer von WebRTC. Vidyo ist ein amerikanischer Anbieter von Videokonferenz-Technik, die u.a. HD-Videokommunikation zwischen unterschiedlichen Netzwerken und Endgeräten ermöglicht.
Vidyo ist Pionier der Videokommunikation
Vidyo bezeichnet sich selbst als Pionier im Bereich Personal Telepresence. Tatsächlich hat Vidyo an der Entwicklung einer neuen Kodierungstechnik für Videoübertragung mitgewirkt und auch als einer der ersten Anbieter bei der Übertragung von Videosignalen auf die neue Technik gesetzt: Scalable Video Coding (SVC).
SVC ist ein Standard, der bei der Übertragung des Videosignals über das Internet selbst bei geringer Bandbreite erstaunlich fehlertolerant ist und eine saubere Videokommunikation ermöglicht.
Vidyos Know How bei WebRTC
Mit der Ankündigung einer erneuten Zusammenarbeit von Google und Vidyo (Googles Hangout wird bereits mit Vidyo realisiert) gehen Videokonferenzen einen weiteren Schritt Richtung Web.
Vidyo wird an der Verbesserung der Videoqualität bei der Übertragung im Web mitwirken. Genauer gesagt geht es um die Weiterentwicklung von VP9, einem neuen (lizenzfreien) Videokodex, der eine reibungslose Videoübertragung bei sehr geringer Bandbreite ermöglichen soll.
Die Richtungsgeber
WebRTC, der vom World Wide Web Consortium (W3C) getriebene Standard, stellt die Weichen für Echtzeitkommunikation in der Zukunft. Mit geballter Power versuchen Internetgrößen wie Google oder Mozilla, Alternativen zu proprietären Standards zu entwickeln, um eine massentaugliche Kommunikation in hoher Qualität zu erreichen.
Mit WebRTC als Basis sollen weitere Services für die Echtzeit(tele)kommunikation (per Internet, 3G/4G oder WiFi) entwickelt werden und zwar ohne Nutzerhürden wie beispielsweise das Installieren von Software/Apps/Plugins oder Verlust von Qualität bei der Bild-/Tonübertragung.
Fazit
Der Videokonferenz-Markt befindet sich bereits seit einiger Zeit im Wandel. Die klassische Videokonferenz-Technik (Geräte für den Konferenzraum, Telepresence-Systeme) wird noch nachgefragt – aber eher in speziellen Bereichen wie zum Beispiel der Telemedizin oder in der Fertigung, wo es um Bildübertragung auf höchstem Niveau geht. Auch auf den Vorstandsetagen werden die Telepresence-Systeme ihren Platz verteidigen können.
Doch im Alltag (beruflich oder auch privat) geht es unaufhaltsam in Richtung einfache und schnelle Kommunikation – und zwar mit vorhandenen Mitteln wie Computer, Smartphone oder Tablet PC.
Es ist nicht alles schlecht, was von Google kommt ;-) Und man wird sehen, in welche Richtung sich die Hersteller klassischer Videokonferenz-Technik in Zukunft bewegen. Sicher ist, dass sie etwas ändern müssen, um wirtschaftlich nicht komplett abzufallen. Die neuen Impulse sind gesetzt. Es bleibt interessant, wie sich diese alteingesessene Branche weiterentwickelt.